Ehemaliger Flughafen Gütersloh – Zivile Nutzung statt Remilitarisierung! Nr. 12

Seit Mai 2023 gibt es Hinweise, dass der ehemalige Flughafen Gütersloh erneut militärisch genutzt werden soll. Laut lokaler Medien prüft das US-Militär angesichts des Krieges in der Ukraine, neue militärische Kapazitäten in der Region aufzubauen. Ab Oktober 2023 erhalten Sie hier Einschätzungen, Hintergründe und aktuelle Nachrichten zu den weiteren Entwicklungen.

08.01.2024

Für Optimisten und Optimistinnen könnte es einen Hoffnungsschimmer bedeuten: Anfang Januar haben erste Flüchtlinge Gebäude im Kasernenbereich des ehemaligen Militärflughafen Gütersloh bezogen. Nach einem Probebetrieb sollen 800 Flüchtlinge dort eine Unterkunft finden. Damit zeigt sich, dass eine zivile Nutzung der Liegenschaft zahlreiche Möglichkeiten bietet: Unterkünfte für Menschen, die dringend Wohnraum benötigen, Flächen für Naherholung, Gewerbeansiedlungen  und weitläufige Flächen, die als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden könnten. Schon in trockenen Tüchern ist die Ansiedlung der Firma Schüco ebenfalls auf Flächen des ehemaligen britischen Militärstandorts.

Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die drei bekannt gewordenen Besuche von US-Militärs auf dem Flughafengelände im vergangenen Jahr nun ausgewertet werden und eine Entscheidung vorbereitet wird. In Betrachtung der Gesamtlage wird davon auszugehen sein, dass im Jahr 2024 mit Sicherheit pro und contra einer Remilitarisierung des Geländes entschieden wird.

Die Initiative für eine friedliche Nutzung des Flugplatzgeländes Gütersloh hat nach den ersten zwei Veranstaltungen im letzten Jahr eine Facebook-Seite online gestellt und bereitet eine neue Veranstaltung für den Beginn des neuen Jahres vor. Interessierte sind eingeladen, sich zu beteiligen.

Anlässlich der Planungen stellt sich die Frage: Ist der weitere Ausbau militärischer Fähigkeiten wirklich der einzige Weg, um internationalen Konflikten und Krisen, die wir in diesen Tagen zuhauf wahrnehmen, zu begegnen?

Im Schatten des Militarismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts, des beginnenden 20. Jahrhunderts gab es eine starke Initiative gegen den Militarismus, der in nahezu allen europäischen Mächten grassierte und im 19. Jahrhundert zu zahllosen Kriegen geführt hatte.

Eine der Hauptpersonen war die tschechisch-österreichische Pazifistin, Friedensforscherin und Schriftstellerin Bertha von Suttner (1843-1914). Sie wurde 1905 als erste Frau mit dem seit 1901 vergebenen Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Im Jahr 1889 veröffentlichte sie den pazifistischen Roman „Die Waffen nieder!“, der großes Aufsehen erregte und Bertha von Suttner zu einer der prominentesten Vertreterinnen der Friedensbewegung machte. Sie beschrieb die Schrecken des Krieges aus der Sicht einer Ehefrau und traf damit den Nerv der Gesellschaft, die zu dieser Zeit in heftigsten Diskussionen über den Militarismus und den Krieg begriffen war.

Das Schlachtfeld bei Königgrätz, wo Anfang Juli 1866  die  Preußische Armee die Armeen Österreichs und Sachsens besiegte, beschrieb sie so: „Und auf dieser Wahlstatt Tausende und Tausende von Toten und Sterbenden – hilflos Sterbenden. Keine Blüten noch Blumen sind auf den Wegen und Wiesen zu sehen, sondern Säbel, Bajonette, Tornister, Mäntel, umgestürzte Munitionswagen, in die Luft geflogene Pulverkarren, Geschütze mit gebrochenen Lafetten. Neben den Kanonen, deren Schlünde von Rauch geschwärzt sind, ist der Boden am blutigsten; dort liegen die meisten  und verstümmelsten Toten und Halbtoten – von Kugeln buchstäblich zerrissen. (…) Ein Hohlweg ist mit in den Kot der Straße getretenen Körpern ganz angefüllt.: Die Unglücklichen hatten sich wohl hierher geflüchtet, um geborgen zu sein – aber eine Batterie ist über sie hinweggefahren – von Pferdehufen und Rädern sind sie zermalmt …. Viele darunter leben noch – eine breiige, blutige Masse, aber „leben noch“.

In Zeiten, in denen es noch keine Fotos oder Filmaufnahmen gab, gab von Suttner Einblick in die Brutalität des Kriegsgeschehen, ähnlich wie es später Erich Maria Remarque mit dem Roman „Im Westen nichts Neues“  der Welt vor Augen führte. 

In der Gegenwart ist es beispielsweise Marlene Streeruwitz (geb. 1950),  eine österreichische Schriftstellerin, die Krieg und Militär zum Gegenstand Ihres Schreibens macht. In ihrem 2022 erschienenen „Handbuch gegen den Krieg“ geht sie umfassend auf zahlreiche Aspekte von Krieg und Militär ein.

Im Kapitel „Krieg. Und. Alles ist falsch.“ heißt es: „Denn. Krieg ist gemacht. Krieg ist kein Naturereignis. Krieg ist eine sorgfältig konstruierte Maschine der Gewalt. (…) Der Alptraum Krieg ist geldrelevante Wirklichkeit. Die Welt wurde und wird mit Waffen überzogen.“

Später heißt es: „Der in Gang gesetzte kriegerische Zufall hebt allen gesellschaftlichen Ethos auf. Darüber wissen wir alles weil wir das im Geschichtsunterricht lernen. Über Frieden erfahren wir nichts. Wie ist Frieden? Gab es je Frieden?“ Im Kapitel „Krieg ist das Gegenteil von Leben“ schreibt Streeruwitz: „Krieg ist nie eine Neuerfindung von Gewalt. Krieg ist die Ausdehnung immer bereitgehaltener Gewalt ins Tödliche. Frieden ist zunächst nur die Annäherung an Gewaltlosigkeit und wird das wohl sehr lange bleiben müssen. Aber. Es muss auf diesen Weg aufgebrochen werden. Weil wir von Frieden nichts wissen können, geht es um die vorsichtige Suche nach einer Kultur, die sich vor Frieden nicht scheut.“

Auf der Suche nach einer Kultur des Friedens macht sich in diesen Tagen auch Ahmad Milad Karimi (geb. 1979), afghanisch-deutscher Religionsphilosoph, Islamwissenschaftler, Dichter und Verleger.

Seit Juli 2016 ist Karimi ordentlicher Professor für islamische Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. In seinem in der ersten Januarwoche 2024 veröffentlichten Youtube-Video geht er den Fragen nach: Bist Du friedenstüchtig? Wie können wir Frieden finden? Wie den anderen zum Frieden inspirieren? Eine der ersten Antworten lautet: der Frieden beginnt mit der Einsicht in die eigene Fehlbarkeit.

Die Suche nach einer Kultur des Friedens, Wege der Verständigung zwischen verfeindeten Nationen und Bevölkerungsgruppen benötigt Ressourcen. Und so, wie für den Ernstfall militärische Mittel bereit gestellt werden, muss es auch eine Infrastruktur der Zivilgesellschaft für die Föderung des Friedens geben. 

Die Forderung anlässlich einer drohenden Remilitarisierung des Flughafengeländes Gütersloh lautet: 1 Promille der Kosten für Aufbau und Betrieb des Militär-Standorts für ein (erstes) Büro für gewaltfreie Konfliktbearbeitung!

Quellen / Links:

Wikipedia: Bertha von Suttner

Bertha von Suttner, Die Waffen nieder!, Jazzybee Verlag 2015, ISBN 10: 3849699730  ISBN 13: 978-3-849699-73-4

Marlende Streeruwitz, Handbuch gegen den Krieg, bahoe books (Verlag) 2022, ISBN: 978-3-903290-87-7 (ISBN)

Youtube-Video Frieden von Prof. Ahmad Milad Karimi

US-Militär weiter an Gütersloher Kaserne interessiert | Die Glocke (die-glocke.de)

Radio Gütersloh: Landesnotunterkunft für Flüchtlinge auf dem ehemaligen Gütersloher Flughafen nimmt Betrieb auf

NW+: Erste Einblicke in neue Unterkunft am Gütersloher Flughafen

Facebook-Seite der Initiative für eine friedliche Nutzung des Flugplatzgeländes Gütersloh

Stand: 04.01.2024

Nächster Blogpost am 15.01.2024

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