Seit Mai 2023 gibt es Hinweise, dass der ehemalige Flughafen Gütersloh erneut militärisch genutzt werden soll. Laut lokaler Medien prüft das US-Militär angesichts des Krieges in der Ukraine, neue militärische Kapazitäten in der Region aufzubauen. Ab Oktober 2023 erhalten Sie hier Einschätzungen, Hintergründe und aktuelle Nachrichten zu den weiteren Entwicklungen.
25.03.2024
Im Februar 1991: Proteste gegen den Krieg am Golf und die Beteiligung des britischen Militärflughafens Gütersloh (Aus: „Kein Blut für Öl? Ein Jahr danach: Positionen zur Bielefelder Bewegung gegen den Golfkrieg 1991“)
Der Protest gegen Militär und Kriegsführung hat auch in OWL eine lange Tradition. In der Bundesrepublik reihten sich in den 50er bis 80er Jahre Proteste gegen die Wiederbewaffnung, den Vietnamkrieg und den NATO-Doppelbeschluss aneinander. Im Jahr 1991 begann der erste Krieg einer westlichen Allianz gegen den Irak. Weltweit organisierte sich eine starke Bewegung gegen den Krieg mit der Zielsetzung einer Lösung des Konflikts auf diplomatischen Wege und der Vermeidung von Leid und Zerstörung.
Kräftemessen am Flughafen Gütersloh: Rund 1000 Demonstrantinnen versuchten während des Golfkrieges den Flughafen für einen Tag lahmzulegen. (Aus: „Kein Blut für Öl? Ein Jahr danach: Positionen zur Bielefelder Bewegung gegen den Golfkrieg 1991“)
Am 9. Februar 1991 kam es zu einer Blockade des Royal Air Force Flughafens Gütersloh. In einer Schilderung der Ereignisse ein Jahr danach heißt es: „Die Blockade des R.A.F. Flughafens wurde aufgrund seiner direkten militärischen Bedeutung für den Krieg im Golf geplant. Er ist der größte britische Militärflughafen auf dem Kontinent. Von hier aus wurden die meisten der im Golfkrieg eingesetzten 35.000 Soldaten nach Saudi-Arabien verlegt. Zudem war der Flughafen während des Krieges eine zentrale Drehscheibe für den Nachschub der Rheinarmee und wurde auch als „Verladestation“ für niederländische Soldaten und Material genutzt. Die Aktion richtete sich gegen den R.A.F. Flughafen als Teil des britischen Militärapparates, der zur Durchsetzung einer Politik fungierte, gegen die unser Widerstand zum Ausdruck gebracht werden sollte.“
Weiter heißt es: „Ziel der Blockade war, politischen Druck gegen die von den USA und den Alliierten praktizierte Politik zu erzeugen. Ebenso war aber die Bundesregierung in Deutschland durch ihre finanzielle, logistische und politische Unterstützung des Krieges Adressat unseres Widerstandes.“
Mini-Konversion Anfang der 90er Jahre im Rahmen der Proteste gegen den Golfkrieg: Stahlhelme zu Blumentöpfen. (Aus: „Kein Blut für Öl? Ein Jahr danach: Positionen zur Bielefelder Bewegung gegen den Golfkrieg 1991“)
Die Bilanz des Golfkrieg 1991 war beachtlich: Der Irak stand der größten Kriegskoalition seit dem Zweiten Weltkrieg gegenüber. Darüber hinaus zeichnete sich der Krieg durch die ungewöhnlich asymmetrische Verteilung der Kriegsopfer, die einseitige Verfügung des Kriegsendes und den hohen Grad an mittelbaren Umweltschäden aus, etwa durch Geschosse mit abgereichertem Uran. Die Einschätzungen zur Zahl der Toten variiert in hohem Maße: Während auf Seiten der Alliierten ca. 230 Personen durch unmittelbare Kampfhandlungen ums Leben kamen, gehen viele Wissenschaftler von einer Zahl um 25.000 bis 75.000 getöteter irakischer Soldaten aus. Schätzungen über die Zahl ziviler irakischer Todesopfer reichen bis zu 35.000.
Die Energieversorgung des industrialisierten Landes wurde zerstört. Am Ende des Krieges lag die Elektrizitätsproduktion bei vier Prozent des Vorkriegsniveaus, Monate später bei 20 bis 25 Prozent. Außerdem wurde die Trinkwasserversorgung weitflächig gezielt zerstört, was insbesondere die Zivilbevölkerung schwer leiden ließ. Bomben zerstörten die Steuerungssysteme aller großen Staudämme, der meisten Pumpstationen und zahlreiche Kläranlagen. Das Abwasser floss direkt in den Tigris, von dem die Zivilbevölkerung Trinkwasser entnehmen musste, woraus die Verbreitung epidemischer Krankheiten resultierte.
Auch während des Golfkriegs 1991 schon Thema: Die ökologischen Folgen der Kriegsführung (Aus: „Kein Blut für Öl? Ein Jahr danach: Positionen zur Bielefelder Bewegung gegen den Golfkrieg 1991“)
Die Geschichte hat gezeigt: Das massive militärische Eingreifen des Westens in Nahost sorgte für Leid und Zerstörung erheblichen Ausmaßes, bereitete den Boden für zahlreiche weitere Waffengänge, die Anschläge des 9/11 und einer Spirale von Hass und Gewalt, die bis heute anhält.
Während die Blockade des damaligen Militärflughafens nun Jahrzehnte zurückliegt, ist nun eine Remilitarisierung des Geländes nicht ausgeschlossen.
Boelcke über Gütersloh – Kampfflugzeug der Bundeswehr Mitte Februar 2024 über der Region Gütersloh.
Ein Kampfflugzeug mit Kennung BU32, entweder Tornado oder Eurofighter des Jagdbombergeschwader 31 Boelcke vom Fliegerhorst Nörvenich westlich von Köln stattete Mitte März dem Raum Gütersloh einen abendlichen Besuch ab und gab einen leichten Vorgeschmack auf Lärmbelästigungen, mit denen im Falle einer neuen militärischen Nutzung des Flughafens Gütersloh zu rechnen wäre. Das Andenken an Oswald Boelcke (1881-1916), den Namenspatron des Geschwaders, betont seine Bedeutung als einer der bekanntesten deutschen Jagdflieger des 1. Weltkriegs und als Begründer der theoretischen Grundlagen des Luftkrieges. Die sich modern gebende Bundeswehr ist immer noch tief verwoben mit der Tradition des blutigen deutschen Militarismus.
Am 20.März fand im Rat der Gemeinde Herzebrock-Clarholz eine Beratung über die von der Initiative für eine friedliche Nutzung des Flughafens Gütersloh auf den Weg gebrachte Bürger-Anregung statt. Zur Diskussion stand ein Brief des Bürgermeisters an Bundesverteidigungsminister Pistorius, US-Botschafterin Gutman und NRW-Ministerpräsident Wüst, in dem es heißt: „Im Namen der Gemeinde Herzebrock-Clarholz bitte ich Sie, sich dafür einzusetzen, dass die Entscheidung über die militärische Nutzung möglichst zeitnah getroffen und die Prüfung etwaiger Nato- oder Bundeswehrbedarfe rasch abgeschlossen wird. Wir möchten unsere wichtigen Zukunftsinvestitionen für Wirtschaft und Arbeitsplätze in der Region fortsetzen.“
Nach Meldung einer Lokalzeitung strebt die Stadt Gütersloh an, mit den anderen beiden Anrainergemeinden des Flughafens hinsichtlich einer zivilen Nutzung zu einer gemeinsamen Position kommen. Auch hier wird auf ein gemeinsames Schreiben an Verteidigungsminister, US-Botschafterin und NRW-Ministerpräsidenten verwiesen.
In Verbindung mit einer Remilitarisierung des ehemaligen Flughafens Gütersloh bleibt die Forderung: 1 Promille von militärischen Aufwendungen für gewaltfreie, nicht militärische Konfliktbearbeitung und – heute mehr denn je – keine Remilitarisierung des Areals in Gütersloh!
Wichtiger Termin: Freitag, 29. März 2024 – 15:00, Ostermarschkundgebung „Flughafen Gütersloh – Für eine friedliche Nutzung“, 15 Uhr, Haupteingang des ehemaligen Militärflughafens Gütersloh, Marienfelder Str., VA: Gütersloher Friedensforum
Quellen / Links:
Facebook-Seite der Initiative für eine friedliche Nutzung des Flugplatzgeländes Gütersloh
Der zweite Golfkrieg – Wikipedia
Ratsinformationssystem Gemeinde Herzebrock-Clarholz, Ratssitzung 20.03.2024, Vorgang V62-2024
NW 2024-03-22 Gütersloh strebt Brief an US-Botschafter an
Ostermarsch 2024 in Gütersloh | Netzwerk Friedenskooperative
Stand: 24.03.2024
Nächster Blogpost am 01.04.2024
Für Anregungen oder Fragen nutzen Sie gerne die Kommentar-Funktion +++ Weiter am Thema interessiert? Abonnieren Sie den Newsletter unter: info@gegensätze.de